Das für den Kunsthandel ikonische, Leonardo da Vinci zugeschriebene Werk »Salvator Mundi«, eine Debatte über Zuschreibungen, Diskussionen über den Erhaltungszustand des Originals waren die Zutaten für ein Projekt im Jahr 2021.
Im Internet kursiert ein Foto des Bildes im Originalzustand, das ein weitgehend ruinöses Gemälde zeigt. Es gibt kaum ein Werk vor dem 20. Jahrhundert, das noch nie restauriert wurde und je älter ein Gemälde ist, umso größer ist die Möglichkeit, dass das aktuelle Erscheinungsbild vom Erscheinungsbild abweicht, das es zum Zeitpunkt seiner Entstehung hatte. Im Spätsommer 2021 wurde bei Restaurierung des Gemäldes »Brieflesendes Mädchen am offenen Fenster« von Jan Vermeer eine großflächige Übermalung entfernt, die einen stehenden Liebesgott zum Vorschein brachte. Nach der umfangreichen Restaurierung der Sixtinischen Kapelle kamen bei der Wiedereröffnung 1994 die von Ruß und Ablagerungen befreiten Farben Michelangelos wieder zum Vorschein. Die Fresken erschienen so leuchtkräftig, dass es lange Debatten auch in Kreisen von Restauratoren gab, ob dieses Erscheinungsbild dem originalen Zustand tatsächlich entsprechen würde.
Der ursprüngliche Erhaltungszustand spielte bei der Vermarktung des Gemäldes nur eine untergeordnete Rolle am äußersten Rand der Kunstwissenschaft. Auch die berechtigte Frage, ob das Erscheinungsbild des restaurierten Werkes eher den Restaurator*innen oder dem ursprünglichen Schöpfer des Werkes zuzuschreiben seien, wurde nicht groß thematisiert. Angesichts der eher rekonstruierenden Restaurierung ist der »Salvator Mundi« ein Werk, das nur so aussieht wie ein Original.
Vom Motiv habe ich 30 Gemälde angefertigt. Das Motiv wurde für das Format 24 x 18 cm in 1 cm großen Kästchen gerastert. Natürlich ist das Werk auch eine Reminiszenz an Andy Warhols Werk »30 Are Better than One« von 1963, ein Tableau bestehend aus 30 Siebdrucken nach Leonardos Mona Lisa.
Mir ging es dabei aber um die subtilen Unterschiede, die sich naturgemäß in der Umsetzung als handgemalte Artefakte ergeben. Dadurch wurde jede Salvator Mundi-Paraphrase zu einem eigenständigen Original. Das würde auch für 300 Bilder gelten. Die Reduzierung auf 30 Einzelwerke folgte lediglich dem Wunsch, das Projekt in einem absehbaren Zeitraum fertigzustellen. Ich wollte während des Projektes herausfinden, wie und in welchem Maße eine Antizipation des Werkprozesses bezüglich der Farbmischungen und des dafür benötigten Zeitaufwands entsteht. Die Frage ist also, ob die Routine zu einem Nachlassen der Konzentration auf die Arbeit und damit auf die Qualität führen wird, oder im Gegenteil zu einer immer exakteren Umsetzung der Vorlage durch zunehmende Professionaliserung und Standardisierung des Werkprozesses.